4. November 21
Zeit der Monster
Vor vielen Jahren hörte ich mal einen Vortrag von Gunther Schmidt, hypnosystemischer Therapeut, Arzt, Volkswirt, Leiter der SysTelios-Klinik. Den Vortrag hatte ich auf einer CD überspielt und leider die Hülle mit zweckdienlichen Hinweisen, wie z. B. das Jahr und den Ort, verloren. Aber was soll's. Der Inhalt scheint mir gerade vor dem Hintergrund der Corona-Krise nun wieder aktuell zu sein, da die Überschrift des Vortrages lautet: Wenn vertraute Muster zusammenbrechen. Darin sagt Gunther Schmidt:
„In einer Krise ist das Erleben hochdramatisch, geprägt von Gefühlen der Hoffnungslosigkeit, des unaufhaltsamen Niedergangs und der Angst.
Die Angst ist aber auf die Zukunft gerichtet, ist eine Vorstellung, eine Möglichkeit, letztlich eine Fantasie.“
Wir leben in einer Zeit der Angst. Bei unserer Regierung klingt das so: wir sind besorgt, die Lage ist ernst. Man ist besorgt, dass sich abertausende Menschen anstecken, schwer erkranken, viele sterben und unsere Krankenhäuser überlastet sein werden. Sie sind besorgt (4. Welle), sie waren besorgt und sie werden besorgt sein und, weil man „das Volk“ so gut lenken kann, auch bleiben. Wir haben Angst. Oder kann ich sagen, dass wir uns Angst einjagen lassen?
Da wir als Menschen grundsätzlich nicht frei von Ängsten sind, angefangen bei der Geburt, dem „Hinausgeworfen-Sein“ aus der nährenden und bergenden Hülle, sind wir wenig immun gegen Angst.
In meiner Kindheit hat man das noch gewusst und sich entsprechend verabredet: Bange machen gilt nicht. Als Kind konnte man auch zu Vater oder Mutter laufen und wurde beruhigt: Wir kümmern uns. Haben sie sich dann davon überzeugt, dass kein Wolf unter dem Bett haust oder sie haben ihn verjagt, konnten wir wieder ruhig schlafen. Auch sagten sie uns eher „du brauchst keine Angst zu haben“.
Als Erwachsene laufen wir nicht mehr zur Mutter oder zum Vater. Wir haben hoffentlich gelernt mit Ängsten umzugehen. Oder nicht? Ich glaube, dass wir gelernt haben unsere Ängste zu verbergen, sie möglichst erst gar nicht wahrzunehmen. Wir sind doch nicht bekloppt. Therapie oder Selbsterfahrung machen die, die nicht klarkommen, die Probleme haben, die nichts auf die Reihe kriegen, die krank sind.
Nun wird eine ganze Gesellschaft in diesem Land seit fast zwanzig! Monaten in Angst gehalten. Wir werden wie Kinder behandelt, denen man sagen muss, wie sie sich zu verhalten haben. Erlöst von der Angst werden wir durch die Impfung, die ziemlich sicher sein soll. Also im Moment liegt da kein Wolf unter deinem Bett, aber es kann sein, dass er Geschwister hat. Wer würde das seinem Kind sagen?
Wieso hinterfragt niemand die Angst in dem er die Realität überprüft, sich des Risikos versichert? Was ist eingetreten von dem, was wir befürchtet haben? Warum wollen wir unbedingt den Menschen glauben, die uns Angst machen?
Wir suchen die Ursachen und Verursacher nicht bei der Regierung, sondern dort: die neue Variante, die Leichtsinnigen, die Ungeimpften, die „Leugner“, die Rechten.
Auf der anderen Seite des gesellschaftlichen Grabens sind die Verursacher: die Regierung, die Finanzeliten, die Pharmaindustrie, Big Tech (Silicon Valley), die Leitmedien, die Agenda 2030, …..lauter „Verschwörungen“. Was Quatsch ist. Ja?
Egal wo man hinkommt – und das verbindet die Lager - überall sind nur noch Experten unterwegs.
Auf was oder wen kann man (noch) vertrauen?
Was zwingt uns zu Handlungen, die wir zuvor so nicht kannten und vielleicht auch nicht wollten: die Verurteilung (und Schuldzuschreibungen) von Andersdenkenden, von Freunden, sogar von Familienangehörigen?
Zum Teil sehe ich die Ursache neben der Angsterzeugung bei der emotionalen und vor allem moralischen Aufladung der Appelle der Regierung an uns. Wir wurden quasi zur Solidarität verpflichtet. Und manch einer reagiert nicht so gut auf den Begriff Pflicht. Ich auch nicht. Pflicht ist der moralische Ausdruck von Zwang in meinem Empfinden. Da passt dann auch gut die Disziplin, für die wir gelobt wurden (Merkel), dazu. Da sträubt sich alles in mir. Ich setze da auf Eigenverantwortlichkeit und freiwillige Rücksichtnahme. Und ich bin überzeugt, dass wir alle dazu fähig sind.
Aber Angst verstellt den Blick, ja, hält uns und unser Handeln und Denken gefangen. Unser Alltagsleben hat einen tiefen Riss bekommen. Medial wurde uns vorgeführt, wie toll andere Menschen, Prominente z. B., das meistern und Scheinbündnisse herstellten (#wirbleibenzuhause). Es wurden uns Vorbilder angeboten, als wären wir Kinder.Und es wurden uns Strafen angedroht, ein bisschen harmlos als Bußgelder daherkommend, etwas, was so eine dumme und rücksichtslose Gesellschaft wohl braucht. Oder nicht?
Der Druck war und ist sehr groß. „Vertraute Muster“ sind weg. Und es gibt keine Perspektive, keine Aussage wann dieser Zustand beendet sein kann.
So ist die Angst weiterhin „auf die Zukunft gerichtet, ist eine Vorstellung, eine Möglichkeit, letztlich eine Fantasie“ wie Gunther Schmidt sagt. Und er zitiert
Antonio Gramsci, Schriftsteller, Journalist, Politiker 1891-1937
„Die Zeiten, in denen das Alte noch nicht sterben kann
und das Neue noch nicht werden kann,
sind die Zeiten der Monster.“
Aber aufgepasst! Sie haben sich verkleidet!