7.12.21


Neulich auf dem Parkplatz


„Kannst du dir das vorstellen? Wo sind wir hier?“ Sabine war empört. „Was qualifiziert die mir einen medizinischen Rat zu geben? Und mir gleichzeitig zu empfehlen, mich nicht im Internet zu informieren!“ Sie nahm sich die Maske ab, um besser Luft zu kriegen. Die Brille war sowieso schon beschlagen. Ich fragte besorgt, ob es nicht auch auf dem Parkplatz eine Maskenpflicht gäbe? Sie meinte aber, wenn jemand auf die Idee käme, sie darauf unbedingt ansprechen zu müssen, sie sich einfach dumm stellen würde. Wir würden ja eh für dumm gehalten.

Sie hatte am Wochenende das Mitgliedermagazin der Wohnungsbaugenossenschaft erhalten und wegen der „Lage“ nicht mit den in der Weihnachtszeit üblichen Grußworten, sondern mit einem „schlichten Appell, von Herzen kommenden Appell, sich impfen zu lassen!“ Sabine war nicht mehr zu stoppen. „Von Herzen kommend, als Gemeinschaft zusammenhalten, solidarisch entscheiden sich impfen zu lassen, Gemeinwohl muss an erster Stelle stehen!Muss! Mehr als sonst! Und zum Schluss dann noch, dass man bitte auf sich aufpassen soll! Nach 'Bleiben Sie gesund' jetzt 'Passen Sie auf sich auf'? Was soll das?“ „Weißt du“ und es war deutlich, dass es eigentliche keine Frage werden sollte, „dass nicht einmal, nicht ein einziges Mal, das Wort Gesundheit in dem Text vorkam?“

Ich musste meinen Einkauf abstellen. Die Taschen waren schwer und es war abzusehen, dass Sabine mit ihrem Vortrag noch nicht am Ende war. Sie könne es ja verstehen, meinte sie weiter, wenn es einen Hintergrund für die Genossenschaft gäbe, wenn die z. B. wüssten, wie viele Mieter gestorben sind und jetzt jede Menge Wohnungen leerstehen oder wenn sie wüssten, wie viele Mieter in Kurzarbeit wären oder gar arbeitslos geworden sind und es Probleme mit der Miete gäbe. Das könnten sie doch mal der Gemeinschaft mitteilen. Aber nein, immer wieder dieser Solidaritäts- und Gemeinschaftssermon! Überall das Gleiche. Die gleiche Propaganda. Und was reitet so eine Wohnungsbaugenossenschaft auch noch in dieses Horn zu stoßen? Was maßen die sich eigentlich an? Haben wir sie gebeten uns auch noch Rat in Gesundheitsfragen, in Lebensfragen zu geben? Auf den Rat der Mediziner soll man hören, da man im Internet nur merkwürdige und oft falsche Informationen bekommt. Dass das von der Regierung und den Medien kommt, kenne sie ja, aber jetzt auch mein Vermieter?! „Werden die Verantwortung übernehmen, wenn sich jetzt jemand impfen lässt, unter Umständen einen Impfschaden erleidet und arbeitsunfähig wird?“


Sabine hatte ich vor ungefähr einem Jahr kennengelernt, als wir gemeinsam in der Schlange vor unserem Stadtteil-Kiosk standen. Eine ältere, gebeugte Kundin kam heraus, wechselte ein paar freundliche Worte mit ihr und verabschiedete sich mit einem 'Bleiben Sie gesund! Das ist das Wichtigste!' Das veranlasste mich so vor mich hin zu murmeln „ja, ja, Hauptsache gesund, egal, ob das Leben dann noch lebenswert ist.“ Das hatte Sabine gehört und es ergab sich ein schönes Gespräch. Ein offenes Gespräch. Es war so toll, dass wir sogleich eine gemeinsame Ebene fanden. Sabine hatte zwei Jahre früher im letzten Jahr die Rente beantragt. Sie kam mit den beruflichen Verhältnissen nicht mehr klar und hatte depressive Symptome entwickelt. Der Ausstieg erschien ihr als die beste Möglichkeit. Ich bin auch froh, dass ich Rentnerin bin und nicht gezwungen bin mich alle zwei Tage zu testen oder irgendwann gar impfen zu lassen (dachte ich damals). Jetzt konnte ich ihre Empörung gut verstehen.

Aber dann wurde es doch ein bisschen merkwürdig. Sie habe sich überlegt, erzählt sie, ob sie das nicht mal der WG schreiben sollte. Ob sie sie nicht fragen sollte, wenn sie jetzt schon so bereitwillig Appelle an ihre Mieter richtet, wie weit sie noch gehen würden. Würden sie eine Email-Adresse einrichten, wo man anonym Ungeimpfte melden kann, die die Hausgemeinschaft gefährden? Und bei dem Gedanken seien ihr Bedenken gekommen, ob sie so die Aufmerksamkeit auf sich lenken sollte. Wenn es mit dem ganzen Druck auf Ungeimpfte schlimmer würde, würde sie dann angezeigt? Ihre Wohnung verlieren? Mit der Einsicht, dass sie sowieso nichts bewirken könne, habe sie sich entschlossen, sich lieber ruhig zu verhalten.


„Jetzt hör' aber auf,“ sagte ich bestimmt „so weit wird es in unserem Land nicht kommen.“


Auf meinem Heimweg fiel mir, noch Kopf schüttelnd, die kleine Erzählung „Corpus Delicti“ von Juli Zeh ein. Zuhause habe ich nachgeschaut: sie ist 2009 erschienen. Die Protagonistin lebt in einer Gesundheitsdiktatur, das heißt, dass Gesundheit die oberste Bürgerpflicht ist. Die Daten über Schlaf, Bewegung, Ernährung werden über einen Chip unter der Haut erfasst und kontrolliert. Besonders ist in meiner Erinnerung haften geblieben, dass sie in einem „vorbildlichen Haus“ wohnt, natürlich mit einer Hauswirtin, die darauf achtet, dass niemand aus der Reihe tanzt.

In meiner Vorstellung sehe ich alles in weiß. Trotzdem schließt das an einer sehr „grauen“ Erinnerung an. Als Jugendliche habe ich mit meinen Eltern zweimal Verwandte in Ost-Berlin besucht. Eher halbbewusst habe ich mitbekommen, dass man erst einen Antrag stellen, dann nach der Ankunft sich bei einer Bezirksstelle vorstellen musste. Wir hatten nie Probleme, da mein Vater kriegsblind war und wir überall freundlich aufgenommen wurden. Trotzdem waren wir aus dem Westen. Von meinem Onkel bekamen wir Anweisung nett und eher unauffällig zu sein und ja nicht laut irgendetwas Kritisches zu sagen. Oder uns einfach über den ein oder anderen Mangel zu wundern. Meine Verwandten trauten den Leuten im Haus nicht und fühlten sich beobachtet. Eigentlich kontrolliert. Da wir in den Osterferien dort waren, das Wetter meist regnerisch, ist es bei mir eine „graue“ Erinnerung. Es könnte allerdings auch die allgemeine Atmosphäre ursächlich sein.

Aber das war ja DDR. Und Juli Zeh's Erzählung ist Science Fiction.


Und dann lese ich gestern das:


*Mehr Schweden scheinen sich wegen der neuen Coronavirus-Maßnahmen für Mikrochip-Implantate zu entscheiden. Diese ermöglichen bereits die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, den Zugang etwa zum Büro und zum Fitnessstudio, das kontaktlose Zahlen ohne Kreditkarte. In Zeiten der Pandemie lässt sich hier auch der Impfnachweis hinterlegen. Die Zahl der "Implantierten" soll bei rund 6.000 liegen. Vor drei Jahren waren es noch 4.000. Befürworter der Chips, welche die Größe eines Reiskorns haben, sie sehen den Vorteil, dass diese nur schwer gehackt werden können. Der Einsatz unter die Haut in der Hand kostet rund 159 Euro. 

Der Chip basiert auf RFID-Technologie und nutzt eine Antenne zum Senden und Empfangen von Radiowellen, die Informationen ähnlich wie bei einem Barcode-Scanner übertragen. Der britische Wissenschaftler Kevin Warwick, war 1998 der erste Mensch weltweit, dem als Teil eines Experiments ein RFID-Implantat eingesetzt wurde. 


Aber das ist natürlich Quatsch! Hab' ich ja auch aus dem Internet!



*RT DE 4.12.21 Schweden machen es vor:.....


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