Die Anstalt vom 8. März 2022


10.3.22


Drama in einem Akt


Das muss ich den Machern lassen: sie sind am Puls der Zeit, wissen, was im von Staatsmedien geleitetem Volk gerade lebt. Aber sie analysieren es nicht, sie decken nichts auf, so wie ich es mal von der Anstalt kannte – sie setzen es in Szene. Ich bereue zutiefst, dass ich diese Sendung, allerdings vor Jahren, meinen Enkelkindern empfohlen hatte.


Es gäbe viel zum Inhalt, vor allem zu dem, der weggelassen wurde, zu sagen.


Aber was werden wir von der Sendung behalten? Wir werden die saudummen Witze schon am nächsten Tag nicht mehr erinnern. Auch ich werde die im Gedicht eingebundene Aussage ...da wird der Mensch zum Tier“ (Malmsheimer mit Betroffenheitsgesicht) oder v. Wagners Bezeichnung „faschistoider Kriegstreiber“ wahrscheinlich vergessen.


Was bleibt sind die Bilder. Da fiel mir gleich am Anfang die Karte auf, die das riesengroße Russland und die winzig kleine Ukraine zeigt. Das geht so schnell, dass kaum der Gedanke aufkommt, dass da Raketen stehen, die auf Russland gerichtet sind. Die spontane Wirkung ist: Ist doch lächerlich, wovor sich Putin da fürchtet!

Dieses Lächerlichmachen durchzieht die ganze Sendung, dynamisiert von inszenierten Betroffenheits-Bildern und verstärkt von Bildern des militärischen Eingreifens bei Aufstandsbewegungen in den verbündeten Ländern der Sowjetunion (Warschauer Pakt): „Jeder demokratische Aufbruch ist meist von sowjetischen Panzern plattgemacht worden“. 1953 DDR, 1956 Ungarn, 1968 Prag, 1981 Kriegsrecht über Polen. Ist doch klar, so die Botschaft, dass die nach 1990 alle unbedingt und freiwillig in ein anderes Militärbündnis wollten. Es reicht nicht gute Verbindungen in der EU aufzubauen, so mein Gedanke, es muss die Nato sein. Wieso eigentlich?

Warschauer Pakt! Auch Putins Verantwortung? Egal, eben der böse Russe. Seine Rede in deutsch im Bundestag 2001 wird einfach weggewischt.


Da wird die Sendung unterbrochen, hinter die Bühne gegangen - moralischer Zwiespalt in Szene gesetzt! Das sind die Szenen, die mein besonderes Interesse und dabei ungute Assoziationen geweckt haben. Ja, was bleibt von unserem Pazifismus, wenn wir einem lächerlichen Dämon gegenüber stehen, der uns mit Atomwaffen bedroht? Der arme Claus von Wagner! Wir alle armen Pazifisten – was bleibt uns da noch übrig........?

Und dann die Szene zum Schluss! Die Peace-Message von Lena Liebkind, auf russisch natürlich. Abgedunkeltes Studio, hängende Köpfe, nichts als Betroffenheit! Interessant auch, wie lange die Szene gehalten wird.

Für mich sind Inszenierungen auch Bilder. Bilder, die Emotionen provozieren. Und Emotionen bilden innere Bilder. Sie gehen unter die Haut. Die Rede von Angela Merkel zu Beginn der Maßnahmen, die Lage ist ernst – Inszenierung! Die Rede unseres Bundespräsidenten – Inszenierung! Die Beispiele sind zahllos.


Vor dem Hintergrund der allgemeinen Stimmungsmache, empfinde ich diese „Sondersendung“ (damit fängst's schon an), auch als eine Zuspitzung. Allerdings nicht im Sinne einer Entlarvung der herrschenden Berichterstattung. Ich empfinde es als eine Zuspitzung der dummdreisten (Kriegs-)Propaganda, die durch diese und andere Bilder, mögen sie auch noch so falsch sein, in den Köpfen hängenbleiben und in die Nähe der unsäglichen Frage mit der unsäglichen Antwort führt: „Wollt ihr....?“ „Ja,“ denn wir haben keine Wahl! Sorry!

Wie schon lange üblich: Frieden schaffen mit Waffen! Und dieser lächerliche, irre, kranke Teufel ist besiegbar, ist doch klar, oder?!

Wobei es praktisch, so denke ich, eher darauf hinauslaufen wird, dass wir alle freudig akzeptieren, dass wir von unserer eigenen Regierung wirtschaftlich plattgemacht werden.


In den zwei Jahren Infantilisierung der Gesellschaft über Medien und politische Laiendarsteller, hat m. E. auch eine moralische Korrumpierung zugenommen, die es erlaubt, Menschen (auch Ungeimpfte und Russen sind welche) aufs Übelste zu diffamieren, zu beschimpfen und anzugreifen. Und die Krieg mit solchen Inszenierungen wieder „schmackhaft“ macht, weil bei allem Pazifismus wir nicht anders können. Über ein „Wehret den Anfängen“ sind wir schon lange hinaus. Inszenierungen sind allgegenwärtig, irgendwie schon normal.


Einigermaßen erfolgreich habe ich es bisher geschafft, mich weder von der Regierung, noch von etablierten, noch von freien Medien, emotional triggern zu lassen. Aber diese Sendung und vor allem diese zur Schau gestellte, selbstgerechte Pose, auf die man immer wieder trifft und nicht nur in den Medien, sondern auch im alltäglichen Umgang, die schlagartig und fast gleichzeitig mit dem Virus auftrat, die jetzt die Alleinschuld Putin gibt, die die Macht der Nazis in der ukrainischen Regierung verleugnet und das Leid im Donbass lächerlich findet, hat es geschafft. Ich bin entsetzt! Die ist gefährlich!


Vielleicht übertreibe ich. Vielleicht sehe ich Gespenster.


Ja! Hoffentlich!